für die Einladung zu dieser Vorlesungreihe. Ich freue mich sehr in dieser interessanten,
sehr interessanten Reihe hier etwas erzählen zu können über Wilfred Sellers und sein Hauswerk
Empiricism and the Philosophy of Mind. Wilfred Sellers ist vielleicht nicht der allerbekannteste
Philosoph, der in dieser Reihe behandelt wird, obwohl ich vermute, dass wenn Sie in Erlangen
studieren, dass Sie um Sellers nicht so ganz herumkommen. Wenn Sie noch keine Bekanntschaft mit
ihm gemacht haben, hoffe ich Ihnen heute zeigen zu können, dass er ein sehr interessanter und
origineller Denker war, der Gedanken aus ganz verschiedenen philosophischen Richtungen aufgegriffen
und weiterentwickelt hat und vielleicht in dieser Hinsicht in der Philosophie der Gegenwart auch
irgendwo eine gewisse Ausnahmestellung einnimmt. Das Werk Empiricism and the Philosophy of Mind
ist 1956 erschienen und ist aus Vorlesungen an der Universität London hervorgegangen. Und obwohl
das sich eigentlich nur um einen langen Aufsatz handelt, ist es das am berühmtesten gewordene
Werk von Sellers. Ich möchte Ihnen in meinem Vortrag im ersten Abschnitt kurz die Position
vorstellen, die Sellers kritisiert, nämlich die Auffassung, dass es ein Fundament des Wissens gibt.
Dann werde ich im zweiten Abschnitt kurz auf die Diagnose eingehen, die Sellers gibt, warum denn
der Fundamentalismus in Bezug auf Wissen falsch ist. Und im dritten und vierten Abschnitt möchte
ich Ihnen zwei Überlegungen präsentieren, die diese Diagnose, die es Sellers gibt, stützen sollen.
Und ich möchte in dritten und vierten Abschnitt gleichzeitig ein paar Verbindungen aufzeigen
zwischen Sellers Denken und dem Denken zwei anderer Philosophen, nämlich Wittgenstein und Kant.
Zum ersten Abschnitt zur Frage brauchen wir ein Fundament des Wissens.
Es gibt einige Intuitionen, die vielleicht dafür sprechen, ein Fundament des Wissens anzunehmen.
Wir wissen vieles, doch manches glauben wir sicherer zu wissen als anderes. Ich weiß zum
Beispiel, dass es heute recht kalt ist draußen, dass morgen früh die Sonne wieder aufgeht und
dass auf der Südhalbkugel gerade Sommer ist. Das erste weiß ich, weil ich mir vorhin einen Cappuccino
geholt habe bei meinem Lieblingscafé. Das zweite weiß ich, weil ich bisher jeden Tag meines Lebens
beobachten konnte, dass die Sonne aufgegangen ist. Und das dritte weiß ich, weil ich in der
Schule etwas über den Zusammenhang gelernt habe zwischen dem Wechsel der Jahreszeiten und der
Rotation der Erde um die Sonne. Letzteres weiß ich aber vermutlich nicht aus eigener Anschauung.
Und es scheint so, dass mein astronomisches Wissen irgendwie indirekter ist als mein Wissen,
dass es heute kalt ist. Verlangt jemand nach Rechtfertigung für eine Überzeugung, scheint
es wünschenswert, wenn man indirektes Wissen auf direktere Formen des Wissens zurückführen kann.
Und die Wahrnehmung, jedenfalls die eigene Wahrnehmung ist, so scheint es doch eine sehr
direkte Form des Wissens. Der epistemische Fundamentalismus ist nun die Auffassung,
dass unser gesamtes Wissen aus verschiedenen Schichten besteht. Unser Wissen gleicht einem
Gebäude mit mehreren Etagen, das nur deshalb stabil ist, weil es ein Fundament besitzt,
das besonders stabil ist und die Last der oberen Etagen tragen kann. Es gibt empiristische und
rationalistische Varianten des epistemischen Fundamentalismus. Auf diesen Unterschied werde
ich noch ein bisschen eingehen. Die Varianten unterscheiden sich insbesondere in ihrer
Auffassung davon, worin denn das Fundament des Wissens besteht.
Es gibt ein paar Motive für den Fundamentalismus, über die baldgehend Einigkeit besteht. Besteht
Einigkeit darüber, dass höherstufige Überzeugungen mit Bezug auf diejenigen Überzeugungen
gerechtfertigt werden müssen, die das Fundament des Wissens bilden. Jene grundlegenden Überzeugungen,
selbst jedoch gerechtfertigt sind, ohne ihrerseits gerechtfertigt werden zu müssen.
Mit Bezug auf grundlegende Überzeugungen wäre es also möglich, einen letzten Grund anzugeben.
Auf diese Weise kann man der Gefahr eines unendlichen Regresses in Bezug auf
Rechtfertigung entgehen. Auch was die Ordnung des Erwerbs von Wissen angeht,
das ist das zweite Motiv. Gehen Fundamentalisten meist davon aus, dass wir unsere grundlegenden
Überzeugungen zuerst erlangen. Oder vielleicht würden Rationalisten sagen, dass wir sie immer
schon haben. Auch beim Hausbau beginnt man schließlich mit dem Fundament und nicht mit
dem Dachgeschoss. Eine empiristische Variante des epistemischen Fundamentalismus besagt,
dass unsere Wahrnehmungsüberzeugungen die grundlegenden Überzeugungen bilden.
Presenters
Prof. Dr. Erasmus Mayr
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:49:59 Min
Aufnahmedatum
2020-12-15
Hochgeladen am
2020-12-16 17:20:44
Sprache
de-DE